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Wer ist nicht gerne auf Reisen? Wen packt gerade jetzt, während der Pandemie, nicht das Gefühl von Fernweh, die Sehnsucht danach, neue Orte und Kulturen zu entdecken? Dass „Unterwegssein“ aber nicht immer freiwillig passiert und in vielen Fällen mit Flucht, Traumata und Heimatverlust einhergeht, war und ist für viele Menschen unserer Gesellschaft ebenfalls ein reales Phänomen.

Das Gedicht „Zurückgeblieben“ (2018) vom syrischen Dichter Ramy Al-Asheq, welches die Schüler*innen der Q1 im Grundkurs Deutsch von Sebastian Heile und in Zusammenarbeit mit der Lehramtsanwärterin Sandra Aras im Rahmen der Unterrichtsreihe zum Thema „Unterwegssein in der Lyrik“ analysiert haben, ließ die Schüler*innen nicht unbeteiligt. Das lyrische Ich schildert in dem Gedicht auf einprägsame Weise, wie es seine Ankunft in Deutschland wahrnimmt. Die Erfahrungen des lyrischen Sprechers reichen dabei von übermäßig bürokratischen Anforderungen bis hin zu täglichen Vorurteilen bezüglich seines Herkunftslandes von Seiten der Mitbürger*innen. (Das Gedicht finden Sie unten auf dieser Seite.)

Unter Einbezug der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff haben die Schüler*innen im Anschluss auf die im Gedicht formulierte Frage: „Was wisst ihr schon von Schuldgefühlen?“ ein Kontrastgedicht oder ein Antwortgedicht formuliert. Die Gedichte der Schüler*innen zeigen eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Thematik.

Eine kleine Auswahl der Gedichte kann nachfolgend nachgelesen werden:

Antwortgedicht zu Zurückbleiben („Was wisst ihr schon vom Schuldgefühl?“) –

Ramy Al-Asheq

Marina Schwenke

Was weiß ich schon vom Schuldgefühl?

Einiges, aber eigentlich doch nichts.

 

Ich kenne meine Schuld,

Ich kenne meine Gefühle,

Aber kenne ich deine Schuldgefühle?

 

Du bist nicht ich

Und ich nicht du!

Du kannst mir erzählen,

was du fühlst,

Ich höre zu!

 

Obwohl ich nicht fühle, was du fühlst,

Fühle ich mit dir.

Was weiß ich schon vom Schuldgefühl?

Einiges, aber eigentlich doch nichts.

 

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Antwortgedicht zu Zurückbleiben („Was wisst ihr schon vom Schuldgefühl?“) –

Ramy Al-Asheq

Laurent Hils

Krieg mit unseren Waffen geführt

Deutsche Panzer gegen deutsche Gewehre

In fremden Ländern und deren Soldaten

Bewusstsein über Vergangenheit

Unbewusstsein über Gegenwart

Herziehen über Krieg

Unterstützen von Krieg

Informieren und handeln,

nicht nur reden, auch bewegen!

 

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Antwortgedicht zu Zurückbleiben („Was wisst ihr schon vom Schuldgefühl?“) –

Ramy Al-Asheq

Arplin Keriakos

 

Was wisst ihr schon vom Schuldgefühl?
Von denen, die nach einer sicheren Zukunft strebten,

aber dafür gesteinigt wurden.
Oder vom Kind, das seine Mutter verlor,

weil sie es vor feindlichen Kugeln beschützte.
Oder von diesem verträumten jungen Mann,

der seine Freunde überredete nach Europa zu flüchten,

jedoch als einziger überlebte.

Verfolgung, Vertreibung, Versündigung…
Warum? Wieso? Weshalb?
All das, weil man den Sonnenstrahl

hinter den dunklen Regenwolken genießen wollte.

Sie sagten mir, ich solle alles hinter mir lassen

und ein neues Kapitel im Leben beginnen.
Wo soll ich anfangen?
Warum soll ich anfangen?
Habe ich das Recht neu anzufangen?
Darf ich die Personen überhaupt ignorieren,

die ihr Leben für die eigene Heimat riskierten?
Oder die Opferung derjenigen,

die uns das Leben gaben und für uns starben?
Oder den Verlust eines jungen Mannes,

der zu Nahrung für Fische und Vögel wurde?

Meine Seele so verloren.
Mein Leib so zerstochen.
Mein Leid so verborgen.
Haben wir nicht überlebt,

um die Schmerzen in uns zu tragen?
Einige Wunden heilen nicht,

damit wir uns daran erinnern,

was oder wo wir waren.

Nun bin ich auf die Antwort gestoßen…
Ja das ist die göttliche Gerechtigkeit
Wir, die Bösen, haben unsere Lieben auf dem Weg

zu Erfüllung unserer Träume verloren,

wie Gilgamesch seinen treuen Freund Enkidu verlor.
Aber der Unterschied zwischen Gilgamesch und uns besteht darin,

dass die Geschichte unsere Namen nicht verewigen wird,

sondern in Vergessenheit geraten lässt.

 

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Kontrastgedicht zu „Zurückbleiben“ –

Ramy Al-Asheq

Sarah Knitter

 

Da bin ich also. Der Ort erscheint mir wie ein neues Zuhause.

Die Gesichter wirken ehrlich

Die Städte wie aus meinem Traum

Als wären sie Wirklichkeit geworden.

Ich schlafe in meinem neuen Bett,

kann mich in Ruhe mit meinen Sorgen beschäftigen

und meinen Körper die Erinnerung spüren lassen.

Die Zeit vergeht,

als wäre ich in einem langen Traum,

dem zu entkommen ein Alptraum wurde.

 

Alles intendiert, dass man sich nicht sorgen muss.

Leben. Freuen. Wohlfühlen.

Lernen. Schlafen. Essen.

Leben. Lernen.

Du bist jetzt hier. Du kannst in Ruhe leben.

Du bist jetzt hier. Du willst in Ruhe leben.

Du bist jetzt hier. Unsere Hilfe bei dir.

Bei uns in Deutschland.

Miteinander. Miteinander. Miteinander. Geborgen. Geborgen. Glück.

Du kannst in Ruhe leben.

Geht nie in euer Land zurück.

Du bist jetzt hier.

Freunde. Ankommen. Teilen. Ich-Zeit. Liebe. Hilfe. Ruhe. Glück.

Du bist jetzt hier. Miteinander. Willkommenskultur.

Geht nie in euer Land zurück. Angekommen.

Alles intendiert, dass man sich nicht sorgen muss.

Leben. Miteinander. Lernen.

Ich bin hier. Ich bleibe hier.

Ich bin hier. Ich bleibe hier.

Ich bin hier – bleibe hier!